Dyskalkulie / Rechenschwäche


Definition

„Diese Störung beinhaltet eine umschriebene Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine eindeutig unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie und Differential- sowie Integralrechnung benötigt werden.“
- gemäß der Weltgesundheitsorganisation -

Was ist eine Dyskalkulie/Rechenschwäche?

Bei einer Dyskalkulie oder Rechenschwäche handelt es sich um eine Teilleistungsstörung im mathematischen Bereich. Es liegt eine mangelhafte Vorstellung von Zahlen, Mengen und Zahlenoperationen vor. Es betrifft also die konkrete Rechenhandlung und auch das Rechnen im Kopf.
Die Grundlage für das Rechen ist zum einem das Handeln mit konkretem Material, zum anderen die innere Vorstellung. Es ist also die Zusammenarbeit der linken und rechten Hemisphäre gefordert, eine Hochleistung an das Gehirn. Gelingt dies nicht, spricht man von einer Rechenschwäche.
Es sind ausschließlich die Grundrechenarten betroffen.


Arten und Formen


  • Rechenschwäche
    - psychische und/oder physische Ursachen
    - Schwierigkeiten bei der Anwendung von Rechenoperationen
  • Dyskalkulie
    - biogenetisch bedingt
    - nicht altersentsprechend ausgeprägte Sinneswahrnehmung
    - mangelndes Verständnis für Zahlen und Mengen


Ursachen


Die Ursachen können in folgenden Bereichen liegen:


  • psychische, soziale und emotionale Ursachen
    z.B. Leistungsdruck, Vernachlässigung, Ängste, Reizüberflutung, schwierige schulische Umstände, beengte Wohnverhältnisse
  • organische, neurologische Ursachen (angeboren)
    z.B. Probleme während der Schwangerschaft oder Geburt, ungesunder Lebenswandel der Mutter während der Schwangerschaft, ernsthafte Erkrankungen im Kleinkindalter
  • didaktische Ursachen
    z.B. schulische Angebot entspricht nicht dem Entwicklungsstand des Kindes


Oftmals ist die Ursache nicht nur in einem der drei Bereiche zu finden.


„Wenn Kinder nicht hüpfen können, hat es keinen Sinn, ihnen Zahlen beizubringen. Vielen Kindern fehlt heute die körperliche Reife für die Schule, sie klettern nicht mehr auf Bäume, matschen nicht mehr im Matsch, haben wenig bis keine Sinneserfahrungen. Sinnliche Ausbildung für das Körpergefühl fehlt vielen Kindern.“
- Inge Flehmig, Leiterin des Institutes für Kinderentwicklung Hamburg -


Das bedeutet, eine altersgerecht entwickelte Sinneswahrnehmung ist Voraussetzung für das Erlernen und Begreifen des Rechnens. Die sensible Phase für das Erlernen mathematischer Vorläuferfähigkeiten liegt zwischen 4 und 6 Jahren.


Wann spricht man von einer Dyskalkulie?

Wenn man folgendes beobachten kann, spricht man von einer Dyskalkulie:


  • eine zeitweise Unaufmerksamkeit des Kindes in Zusammenhang mit dem Rechnen
  • Sinneswahrnehmungen, die nicht ausreichend für das Erlernen des Rechnens geschärft sind
  • durch die unscharfen Sinneswahrnehmungen und die daraus folgende Unaufmerksamkeit entstehenden Wahrnehmungsfehler


Anzeichen für eine Dyskalkulie/Rechenschwäche

  • hartnäckige Schwierigkeiten beim Rechen für einen längeren Zeitraum (mehr als ein halbes Jahr)
  • zählendes Rechnen
  • Lösen von Rechenaufgaben deutlich verlangsamt
  • mangelndes Zahlen- und Mengenverständnis
  • Erschwernisse mit dem Dezimalsystem (dreiundvierzig als 34) und Stellenwerten (einhundert sechs – 1006)
  • kein Verständnis von Rechenschritten
  • Schwierigkeiten beim Lösen von Textaufgaben


Wo gibt es Hilfe?

Es gibt in Österreich, Deutschland und schon auf der ganzen Welt Legasthenie- und Dyskalkuliespezialisten. Wir testen Kinder (auch bei uns in der Praxis) und arbeiten auf pädagogisch-didaktischer Ebene.

Wir helfen sowohl Kindern im Schulbereich, als auch im außerschulischen Bereich, sowie Kindern im Kindergartenalter, deren Sinne geschärft werden müssen.


Wir arbeiten in den folgenden Bereichen mit dem Kind:


  • Training der Aufmerksamkeit
  • Förderung der Sinneswahrnehmung
  • Schulung des Vorstellungsvermögens
  • Symptomtraining


Wir erstellen Ihnen auf Wunsch ein pädagogisches Gutachten. Dieses kann für einen eventuellen Nachteilsausgleich bei der Schule eingereicht werden. Es liegt jedoch im Ermessen der Schule, ob dieser Nachteilsausgleich angewandt wird. Wenn Sie einen Termin für einen Test vereinbaren möchten oder Fragen haben, rufen Sie uns bitte an, oder kontaktieren Sie uns über Mail. Da wir beim Jugendamt zugelassen sind, ist es möglich, die Dyskalkulietherapie vom Jugendamt bezahlen zu lassen.


Dyskalkulie und Rechenstörungen im Kindes- und Jugendalter: Merkmale, Ursachen, Therapien 

Merkmale von Dyskalkulie

  • Kommt es über einen längeren Zeitraum (mehr als ein halbes Jahr) zu hartnäckigen Schwierigkeiten beim Rechnen, kann von einer Dyskalkulie/Rechenschwäche ausgegangen werden.
  • Oft geht eine Dyskalkulie mit einer Legasthenie einher.
  • 10-15 % aller Schüler sind von Rechenproblemen betroffen.

Ursachen

  • Dyskalkulie hat nichts mit fehlender Intelligenz zu tun.
  • Die Dyskalkulie ist vielmehr biogenetisch bedingt. Sie hat ihre Ursache in different ausgeprägten Sinneswahrnehmungen. 
  • Eine Rechenschwäche ist davon abzugrenzen, denn sie ist durch psychische und physische Verursachungen bedingt. 
  • Da die Problematik des erschwerten Erlernens des Rechnens verschiedene Ursachen hat, muss auch die Förderung verschiedenartig sein. 
  • Rechnen stellt eine Hochleistung des Gehirns dar, welche nicht wie Sprache in einem bekannten, umschriebenen Hirnrindengebiet entsteht, sondern aufgrund eines komplizierten Zusammenspiels beider Hemisphären, während Sprechen, Lesen und Schreiben vor allem eine Leistung der linken Hemisphäre sind.

Voraussetzungen für das Rechenlernen

Was ist wichtig, wenn Kinder rechnen lernen sollen?

"Wenn Kinder nicht hüpfen können, hat es keinen Sinn, ihnen Zahlen beizubringen. Vielen Kindern fehlt heute die körperliche Reife für die Schule, sie klettern nicht mehr auf Bäume, matschen nicht mehr im Matsch, haben wenig bis keine Sinneserfahrungen . Sinnliche Ausbildung für das Körpergefühl fehlt vielen Kindern."

Inge Flehmig, Leiterin des Institutes für Kinderentwicklung Hamburg



Das heißt, dass das ganze Kind in der Förderung gesehen werden sollte. Durch das Spiel kann das Kind viele taktil-kinästhetische, auditive, visuelle Basisfunktionen trainieren, die für das Erlernen der Mathematik elementar sind. Die sensible Phase für Mathematik liegt zwischen 4 und 6 Jahren.


Übungen

  1. Spiele mit dem eigenen Körper (Körperwahrnehmung)
    Wenn das Kind ein Körperschema aufgebaut hat, kann es sich auch räumlich zurechtfinden, denn aus der taktilen und sensomotorischen Wahrnehmung des eigenen Körpers entwickelt sich die Wahrnehmung des Raumes. Mathematik hat mit Raumwahrnehmumg zu tun und ist Basis für alle Rechenoperationen. 
    Beispielübungen: 
    1. Fingerspiele 
    2. Körperumriss nachzeichnen und Körperteile benennen 
    3. Figuren auf den Rücken zeichnen, Massieren 
    4. Nachahmen vorgegebener Körperstellungen
  2. Erkennen von Gegenständen und ihren Eigenschaften
    Bevor de auditiven und visuellen Defizite oder die Aufmerksamkeitsprobleme ins Auge gefasst werden, geht man an die Basis zurück. Wenn die Basissinne (taktiles System, Propriozeptives oder Kinästhetisches System und das Vestibuläre System) eine Förderung erfahren, kommt die visuelle oder auditive Klarheit oft von selbst. Wenn das Kind genügend sensomotorische Erfahrungen im Elementarbereich sammeln kann, hilft dies eventuell, Rechenprobleme erst gar nicht aufkommen zu lassen.
  3. Taktile Wahrnehmungen sind Voraussetzung für die spätere Mengenlehre

Zählstrategien und Probleme zählender Rechner:

Am Ende des 1. Schuljahres fallen zählende Rechner ohne eine gezielte Beobachtung selten auf. Erst im Laufe des 2. Schuljahres werden die Probleme zählender Rechner deutlich.


Bis dahin bewegen sie sich aufgrund ihrer Zählstrategie im Zahlenraum bis 20 recht sicher. Doch wenn der Zahlenraum auf 100 ausgeweitet wird, fallen die Probleme auf. Hier wird eine hohe Konzentration und ein gutes Kurzzeitgedächtnis gefordert. Zählende Rechner sehen kaum Beziehungen zwischen den Zahlen. Strukturen innerhalb des Zahlenraumes bleiben unklar. Jede Aufgabe wird für sich neu zählend berechnet . Oft bis zum 12. Lebensjahres.


Diese Zählstrategien übertragen zählende Rechner gerne auf die ihnen zur Verfügung stehenden Arbeitsmittel. Sie nutzen es für ein Abzählen in Einerschritten. Das zählende Rechnen wird somit durch das Arbeitsmittel verstärkt.


Zählende Rechner bemerken im Laufe des zweiten Schuljahres immer mehr, dass sie den anderen Kindern „hinterherhinken“. Sie verlieren im Bereich Mathematik ihr Selbstvertrauen und es besteht die Gefahr , dass sich dieses auch auf andere Fächer überträgt.

Förderschwerpunkte im Zahlenraum bis 20

  1. Zahlvorstellung (größer/kleiner, Zehnerbündelung, an Zahlenbändern vorwärts und rückwärts zählen lassen, Zahlenbänder vervollständigen lassen, zu einer Zahl eine Menge zuordnen lassen, Darstellungsformen der Zahlen (Zehner/Einer bestimmen, Zahlen auf unterschiedlicher Arten darstellen).
  2. Simultanauffassung im Zahlenraum bis 20
    Anzahlen werden „auf einen Blick“, also simultan, erfasst. Erwachsene können im Schnitt 6 Objekte erfassen, Kinder 3-4.
  3. Zerlegungen im Zahlenraum bis 10
    Zahlen werden unter Verwendung des Pluszeichens in zwei Summanden zerlegt. Dieses muss im Zahlenraum bis 10 automatisiert sein. Es ist die Voraussetzung für die Ablösung vom zählenden Rechnen. 
  4. Verdopplungsaufgaben im Zahlenraum bis 20
    Durch das Automatisieren der Verdopplungsaufgaben können Kinder elf Aufgaben des „kleinen Einspluseins“ ohne zu zählen , lösen. Sie entwickeln Ableitungsstrategien (z.B. 6+5 (als Nachbaraufgabe)= 5+5+1=11)) 
  5. Halbierungsaufgaben im Zahlenraum bis 20
    Das Halbieren ist genau wie das Verdoppeln eine wichtige Operation. Sind die Verdopplungsaufgaben automatisiert, so dient dieses Wissen als Grundlage für das Verständnis der Halbierungsaufgaben. Auf 11 Aufgaben des „kleinen Einsminuseins“ kann automatisierend zurückgegriffen werden.
  6. Aufgabenfamilien
    Diese enthalten 3 Zahlen, mit denen man 4 Aufgaben bilden kann: zwei Additions- und zwei Subtraktionsaufgaben. Bei den Additionsaufgaben sind dies Tauschaufgaben (4+2, 2+4), bei Subtraktionsaufgaben werden Umkehraufgaben gebildet (6-4=2 und 6-2=4).
    Wenn ich weiß, das 4+2=6 ist, dann weiß ich auch, wie viel ich von 2 bis 6 ergänzen muss. Ich weiß also den Unterschied zwischen 2 und 6, ich kenne die Differenz 6-2. 
  7. Analogieaufgaben im Zahlenraum bis 20
    Die Additions- und Subtraktionsaufgaben im ZR bis 10 lassen sich analog auf den zweiten Zehner übertragen. Die Aufgaben unterscheiden sich durch einen vollen Zehner. Bei der Erweiterung der Rechenfertigkeiten auf den ZR bis 20 ist das Bilden dekadischer Analogien eine wichtige Grundlage. Kindern sollte bewusst sein, das man bei Aufgaben wie 15+3=18 (oder 25+3=28 etc.) nicht neu rechnen muss, wenn man die Grundaufgabe beherrscht und auswendig kann. 
  8. Zehnerüberschreitung im Zahlenraum bis 20
    Für die Addition der Aufgabe 7+4=11 und deren Abwandlung in 7+3+1=11 müssen Kinder beherrschen:
    - das Zerlegen der Zahlen bis 10 (4=3+1),
    - die Addition/das Ergänzen zum Zehner (7+?=10)
    - die Addition vom Zehner aus (10+1=11). 

    Für die Subtraktion als 14-6=8 und deren Abwandlung in 14-4-2=8 muss vorausgesetzt werden:
    - die Subtraktion zum Zehner (14-?=10)
    - das Zerlegen aller Zahlen bis 10 (6=4+?)
    - die Subtraktion vom Zehner aus (10-2=?)